Werkeinführung: Für Jan-Hendrik Brinkmann von Arne K. Fischer / Kurzfassung
- Arne K. Fischer
- 25. Jan.
- 4 Min. Lesezeit
Zur Ausstellung: "Kühe und Zigaretten"
im Kunstverein Wolfenbüttel vom 20.10. — 15.12.2024
Es freut mich Sie heute zu dieser Ausstellungseröffnung zu begrüßen. Natürlich möchte ich mich beim Team des Kunstvereins Wolfenbüttel für die Einladung bedanken.
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Damit Sie wissen, wer mit welchem Hintergrund zu Ihnen spricht: Mein Name ist Arne (K.) Fischer. Meine Perspektive ist kultur-wissenschaftlich geprägt, mein Ansatz liegt der Rezeptionsästhetik nahe. Meine Argumentation ist u.a. stark von den Philosophen Roland Barthes & Bruno Latour inspiriert kurzgefasst ein Zusammenspiel von Semiotik & Soziologie.
2021 haben wir Jan-Hendrik Brinkmann in der Galerie BOHAI ausgestellt. Zuvor hatten ihn drei* aus unserem Kunstverein durch Zufall unabhängig voneinander kennengelernt und seine Werke, Arbeitstechnik und konzeptuelle Auseinandersetzung als sehr eindrucksvoll und ausdrucksstark empfunden.
Von Kühen und Zigaretten
Es ist toll zu sehen, wie viele Werke zu dem hier und heute gezeigten Kanon gehören - welche noch dabei sind, welche neu entwickelt wurden.
Als erster Eindruck begegnet mir eine Ansammlung lebensgroßer Porträts. Schnell wird klar, dass im Kampf zwischen Farbpracht und Grazilität auch Grafiken zu finden sind. Daneben bekommen wir sogar noch einen Einblick in Jans Skizzenbücher. Was schwieriger zu erkennen ist, sie sehen auch Druck-Erzeugnisse.

Bildstark sind alle der Bild-Gattungen, da ihnen ein traditionelles Verständnis der Komposition unterliegt. Variantenreich und wiedererkennbar mit modernen Abstraktionen unterfüttert. Der Medienübergriff, der wirkt als Modernisierung eines Sujets, das sich mit „Auf dem Lande“ beschreiben lässt.
Es gibt einen aktuellen Katalog. Darin sind 4 Texte, die dein Werk betrachten. Ein zusammenfassender Text, einmal wirst du in die Kunstgeschichte eingeordnet,
ein Text verfolgt eine kritisch-politische Auseinandersetzung, einer verfolgt eine populär-kulturelle Aufmachung.
Jochen Overbeck beschreibt, wie die anderen und auch meiner Meinung nach die unübersehbare Nostalgie in den Bildern. Diese rührt unter anderem daher, dass viele deiner Bilder auf der Grundlage von Fotografien aus dem Familienfundus basieren. Für uns weder ersichtlich noch überprüfbar, ob es dein eigener Fundus ist - was es so oder so nahbar macht. Durch die Fotos entsteht Sichtbarkeit - hier wären bspw. realistisch wirkenden Perspektivfluchten zu nennen.
Sampling, ein weiterer Begriff, der sich auf das collagen-artige Zusammen-schmeißen bezieht, den Overbeck verwendet, um den Pop-Appeal der Bilder zu erläutern, indem er die Pop-Art in den vereinzelten Konsumgütern sucht und zitathafte Vergleiche anstellt. Vergleiche, die auch mir wirklich Spaß machen, sich aber nicht konsequent durch das Oeuvre ziehen und genau deshalb so verspielt und trügerisch wirken.
Victoria Bargel führt über Gerüche und Stammtisch-Debatten in das Werk ein. Für sie schwingt eine romantische Verklärung dieses Milieus mit. Das Dorfleben für viele ein Rückblick, der den jugendlichen Aufbruch in die Großstadt beschreibt. Für Bargel ein intellektuelles Belächeln, vor dem wir uns in Acht nehmen müssen.
U.a. da in den irgendwie feucht-fröhlichen, witzig-schmierigen Bildern definitiv gesellschaftliche Probleme angedeutet werden: Langeweile, Alkohol und eine traditionell-konservative Wertorientierung.
Annekatrin Kohut sieht in dem Blick auf das Dorfleben ritualisierte Handlungen, die der Identifikation dienen, worin sich das Fremde und das Eigene abgleichen lässt. So stellen sich Fragen auf, was da denn sichtbar ist und was dadurch alles verdeckt bleibt. Über das Werk hinausgehend lassen sich bildnerische Mittel wie Lautstärke und Lautschrift in den verwendeten Motiven und situativen Kontexten finden.
Angesichts deiner großen Einzelausstellung im niedersächsischen Syke (16.06. - 29.09.2024) bei Bremen beschriebt Nicole Giese-Kroner die verwendeten Techniken bspw. dominante Collage, klare Muster, harmonische Komposition, visuelle Balance und Spannung. Den Vergleich zu Piet Mondrian finde ich wichtig, da die ent-/ bzw. funktionalisierenden Farbräume einen m.E. höheren Stellenwert als bei Overbeck einnehmen und überhaupt erst die abstrakte Rezeption ermöglichen, allerdings darf der Fokus hier nicht stehen bleiben.
Erfreulich und ballernd haben wir die Wirkung bei uns in der Galerie genannt. Der Künstler ballert manchmal einfach so hin und dann ist da trotzdem noch mehr Erfreuliches.
Die Bildflächen sind teilweise perspektivisch aufgebrochen, sie ordnen die Bezüge anders an, können etwas neu vorholen oder eröffnen verdeckte Kontexte, die ohne dies nicht sichtbar wären bspw. Geschichten, die hinter den Häusern abseits stattfinden.
Die Details in den Bildern: Nirgendwo lese ich etwas über den feinen Pinselstrich!
Das Grafische findet kaum Erwähnung! Wie kann das sein? Schauen Sie sich das bitte mal genauer an. Nicht nur am Bildschirm oder im Katalog.
Da ich hier nur in das Werk einführe, möchte ich also Aufgaben verteilen:
Bitte die künstlerische Ausarbeitung mehr wertschätzen: Der Künstler beherrscht sein Handwerk. Bitte mehr vom Werk an und für sich ausgehen. Bitte weniger einzelnes überbewerten. Mehr das Zusammenspiel des Medienübergriffs der Collage und diese mehr als Modernisierung von Konkretion und Abstraktion in der Malerei verstehen. Kontext und Kontemplation.

Wie komme ich da hin? Da ich anders und komplexer denke (Akteur Netzwerk Theorie & Mythologie) … und durch die Gespräche mit Jan über die Jahre.
Einen Künstler und sein Werk periodisch in seiner Entwicklung zu begleiten ist schon ein besonderer Umstand. Nein, auch ich kann nicht alles direkt am Werk deuten, allerdings konnte ich es hinterfragen. Wobei er mich immer wieder überzeugen konnte, dass da noch mehr ist, auch, das manches noch im Hintergrund wartet.
Du hast mir versichert, dass du in deinen Bildern am ehesten die Ehrlichkeit der Menschen und ihre Berufe darstellen willst, das freut mich. Und bei allem, was jetzt noch offen geblieben ist … Jan ist anwesend und freut sich über den Austausch.